Bericht von Georg „Jiri“ Fleischanderl:
„Gratuliere Fleischi“, ein Satz, den ich in den letzten Tagen doch des Öfteren höre. Und auch mit ein paar Tagen Abstand passiert es mir trotzdem immer wieder, dass ich kurz nachdenken muss, was da eigentlich gemeint ist. So unrealistisch ist das Finish bei der Ironman-Distanz in Podersdorf noch immer für mich.
Eigentlich war das ja alles irgendwie geplant. Nach meiner anfänglichen Abneigung gegen Triathlon (Schwimmen!) und meiner ersten eher überraschenden Sprintdistanz vor 3 Jahren kam mir irgendwann die damals irrwitzige Idee vom Ironman – das Projekt „Ironman2020“ war geboren. Aufgrund diverser Einsätze als Fan in Kärnten wusste ich ja zumindest theoretisch so in etwa, was da auf mich zukommt. Mit Trainer und striktem Trainingsplan wurde auf das Ziel hingearbeitet, doch dann, Mai 2019, nach diversen größeren Problemen, die mich auch zur Absage einer Halbdistanz zwangen, wurde das Projekt abrupt abgeblasen. Und irgendwie war ich auch sehr erleichtert – es war einfach der falsche Zeitpunkt – und eine Langdistanz rückte in weite Ferne. Doch 2020 wurde dann alles anders…
Aufgrund von Corona und der dadurch resultierenden Kurzarbeit und dem perfekten Wetter im März/April stiegen die Radkilometer, trotz abgesagtem Trainingslager, in lichte Höhen. Leider wurden aber auch alle möglichen Wettbewerbe abgesagt, dann zeigte sich aber, dass sehr wahrscheinlich doch einzelne Triathlonveranstaltungen durchgeführt werden können. Darum setzte ich mir das Ziel Anfang September bei der Halbdistanz in Podersdorf an den Start zugehen, wohl wissend, dass mir flache Strecken und Wind überhaupt nicht zusagen.
Als ich mich dann Anfang Juni anmelden wollte, kam mir spontan eine schräge Idee – wieso nicht die volle Distanz? Zwischen Idee und Anmeldung lagen nur zwei Tage, zwei Gespräche und ein kurzer Schwimmversuch im Pleschinger See, der zu meiner Überraschung trotz dreimonatiger Schwimmabstinenz und meinem eingeschränkten Schwimmtalent vielversprechend verlief. Die Grundlage hatte ich ja in den letzten Monaten gelegt, und ich hatte auch nichts zu verlieren. Der Trainingsplan war nicht mehr strikt, wurde von mir selbst verfasst und flexibel je nach Wetter bzw. hin und wieder auch nach Lust und Laune angepasst. Anfänglich hielt ich mein Vorhaben noch ein wenig geheim, doch immer mehr Leute wurden über mein Vorhaben eingeweiht.
Am Donnerstag vor dem Bewerb reiste ich an, bezog schnell mein Quartier und startete noch die eine oder andere Trainingseinheit. Nach der Startnummernabholung am Freitag stand noch ein wenig „Ablenkung“ in Form von Freunde- und Heurigenbesuche am Programm. Grundsätzlich gut ausgeschlafen startete dann mein wirklich super Tag…Nach dem Check-In und dem Studieren der Abläufe in der Wechselzone machte ich mich auf dem Weg zum Startbereich. Zu meiner Freude erblickte ich sofort die ersten Vereinskollegen, die mir nochmals Mut machten.
Um 7:30 startete ich mit der zweiten Welle (Einzelstarts alle 5Sekunden) in den Bewerb. Auch wenn ich von einigen hinter mir gestarteten Schwimmern überschwommen wurde, fand ich relativ gut einen für mich passenden Rhythmus. In der zweiten Runde der 3800 Meter vernahm ich auf einmal „Fleischi“-Rufe, glaubte aber kurzfristig, dass ich mir wohl im seichten Wasser den Kopf gestoßen haben muss, erblickte dann aber doch 3 Vereinskollegen auf deren Stand-Up-Paddles, die mich für ein paar hundert Meter ein wenig unter Druck setzten. Beim Schwimmen Richtung Wechselzone blendete die tief stehende Sonne so stark, dass man die Schwimmrichtung teilweise erahnen musste, aber irgendwie fand ich trotzdem den richtigen Weg. Bei der Wechselzone wollte mich ein Teil vom Fanclub etwas Antreiben, die Freude über das Absolvieren meiner Angstdisziplin ließ meine Ruhe jedoch fast ins Unermessliche steigen, ich nahm mir die Zeit die ich brauchte, um ja auf nichts zu vergessen und keine Flüchtigkeitsfehler zu begehen.
Entspannt stieg ich auf mein geliehenes Zeitfahrrad (DANKE TOM !) und startete in die 180km lange Radstrecke. Die Radstrecke war ein 30-km-Rundkurs, der 6 Mal absolviert werden musste. Schon in der ersten Runde machte sich der nicht vorhergesagte Wind bemerkbar. Die ziemlich ungünstige Windrichtung führte dazu, dass man ca. 17km Gegenwind und 13 km Rückenwind pro Runde hatte – also irgendwie unrealistisch. Aufgrund des Windes, aber auch aufgrund der Nackenschmerzen, die schon in der zweiten Runde einsetzten (keine Aeroposition mehr richtig möglich), und auch zweier Schrecksekunden (Faststurz bei Fahrt über verlorene Wasserflasche eines vor mir fahrenden Teilnehmers, und zwei bäuerlichen Zugmaschinen mitten auf derStrecke), konnte ich das angepeilte Tempo leider nicht halten. Wieder ließ ich mich aber nicht aus der Ruhe bringen, denn ich wusste, dass der Tag sonst länger werden würde als mir beliebt. Der Wind war stark, doch der Kopf war an diesemTag vernünftiger und stärker. Ich freute mich bei jeder Runde auf die Fahrt durch Podersdorf (auch wenn ich das nicht immer zeigen konnte), da ich dort immer wieder vom lautstarken und wohl größtem anwesenden Fanclub lautstark angefeuert wurde. Und so stieg ich nach knappen 6:25 Fahrzeit mit leichten Kreuzschmerzen vom Rad und nach kurzer Orientierungslosigkeit in der Wechselzone schlüpfte ich in meine Laufschuhe. Nach einem kurzem, tiefen Atemzug und mit den Worten: „Jetzt reina mas gach ham“ zu mir selbst startete ich in den letzten Abschnitt für diesen Tag.
Die Pace zum Start war gleich mal viel zu schnell, denn irgendwie hatte ich das Gefühl, ohne Vorbelastung in den Lauf gestartet zu sein. Wieder schaltete sich die Vernunft ein und die Geschwindigkeit pendelte sich in einem vernünftigen Bereich ein, und trotzdem sammelte ich eine unglaubliche Anzahl an Athleten ein. Alle paar Kilometer erblickte ich wieder bekannte Gesichter, daher war, um sich ja keine Blöße zu geben, Gehen grundsätzlich keine Option. Die Option wurde nur bei den Verpflegungsstationen in Anspruch genommen, da Aufgrund der Hitze der Flüssigkeitsnachschub überlebensnotwendig war. Normalerweise trinke ich auch selten 2 Liter Cola in drei Stunden, dieser Tag war aber in jeglicher Hinsicht anders. Ab Kilometer 20 setzten immer wieder leichte Wadenkrämpfe ein, die aber gottseidank immer nach ein paar Schritten im Gehtempo wieder verschwanden. Die letzten 3 Kilometer waren dann einfach nur mehr Wahnsinn – mit dem Wissen es bald geschafft zu haben, und der Vorfreude aufs versprochene Zielgetränk, ließen diese wie im Flug vergehen. Kurz vorm Ziel stand der Fanclub laut jubelnd aufgefädelt – die Gedanken an diesen Zieleinlauf mit einer Laufzeit von deutlich unter 4 Stunden und einer Gesamtzeit von12:15:45 lösen immer noch Gänsehaut aus. Die Zielverpflegung war rasch aufgebraucht und nach dem Check-Out und einer kurzen Dusche wurde dieser Tag noch gebührend gefeiert.
Was soll ich zu diesem Tag noch sagen? Ein fast spontanes Langdistanzdebüt, bei der man über 12 Stunden kein einziges Mal eine richtige Tiefphase durchleben muss – bei dem trotz der umfangreichen Vorbereitung immer der Spaß am Sport an erster Stelle stand – das man fast 45 min unter der sich selbst gesteckten Zielzeit beendet – bei dem 18 (!!!) Vereinskollegen und Freunde (wobei der Übergang mittlerweile sehr fließend ist) extra Anreisen, um dich anzufeuern – besser geht’s einfach nicht. Dass das alles nicht
selbstverständlich ist, zeigte sich auch daran, dass viele Athleten nicht das Ziel erreichten (leider hat es auch meine Vereinskollegen erwischt – Kopfhoch!). Ich hoffe, ich kann diesen persönlichen Erfolg in den nächsten Tagen endlich realisieren und weiter genießen. Langdistanz ist in nächster Zeit mal keine geplant, es gibt jedoch schon wieder Ideen für eine neue Herausforderung. Aber wer weiß – denn bis vor knapp 3,5 Monate habe ich auch nicht gewusst, was da am 5. September unglaublicherweise abgehen wird. Und um mit dem auf mich adaptierten Motto der Veranstaltung den Roman zu beenden: Vielleicht war`s nicht unbedingt fast – aber definitiv hard and legendary.